Ein paar Notizen zur politischen Situation in Peru

Hintergrund

  • Gestern (30.9.) hat Perus Präsident #Vizcarra die Auflösung des Parlaments angekündigt.
  • Nach Artikel134 der peruanischen Verfassung darf er das Parlament auflösen, wenn zwei von ihm zusammengestellten Ministerkollegien (Premier + alle anderen MinisterInnen) über ein destruktives Misstrauensvotum gestürzt werden.
  • Das Parlament in seiner derzeitigen Besetzung ist in großen Teilen der Bevölkerung extrem unpopulär. Am stärksten sind dort die Fujimori-Parteien vertreten. Vielen Mitgliedern dieser Parteien wird Korruption, Vetternwirtschaft oder die Verfolgung persönlicher Vorteile vorgeworfen. Politische Reformen zur Korruptionsbekämpfung wurden in den vergangenen Jahren wiederholt blockiert.
  • Anfang der 90er Jahre (damals galt die aktuelle Verfassung noch nicht) vollzog der damalige Präsident Alberto Fujimori den sogenannten „Selbstputsch“: Gestützt auf die Sicherheitskräfte ließ er Grundfreiheiten einschränken und das Parlament auflösen.
  • Präsident Vizcarra wurde als Vizepräsident von Pedro Pablo Kuczynski gewählt, den er seit dessen Rücktritt im März 2018 ersetzt. Seine Parlamentsfraktion ist sehr klein.


Zur aktuellen Situation

  • Es gab gestern (30.9.) kein explizites zweites #destruktivesMisstrauensvotum im Parlament.
  • Die Regierung wollte ein solches herbeiführen, wurde aber von der Parlamentsführung auf vielerlei Arten daran gehindert.
  • Die Regierung interpretierte eine Parlamentsentscheidung über die Neubesetzung von Richterposten des peruanischen Verfassungsgerichts als Misstrauensvotum und verkündete auf dieser Grundlage die Auflösung des Parlaments.
  • Parallel dazu beschloss eine Parlamentsmehrheit die Absetzung Vizcarras und wählte und vereidigte Vizepräsidentin Mercedes Aráoz als neue Präsidentin.
  • Die Regierung Vizcarra reagierte schneller und wird von den Sicherheits- und Streitkräften unterstützt.

Prognose, Aussichten und Probleme

  • Jetzt muss wohl das Verfassungsgericht darüber entscheiden, wer PräsidentIn Perus ist und ob der Kongress rechtmäßig aufgelöst wurde. Für schnelle Entscheidungen benötigt das Gericht für gewöhnlich mindestens drei bis vier Monate.
  • Es gibt nur wenige Gründe, die dafür sprechen, dass der möglicherweise neu zu wählende Kongress korrekter handeln und weniger korrupt sein wird.
  • Rechte Kommentatoren sprechen von einem Staatsstreich.
  • In großen Teilen der peruanischen Presse, vor allem im linken Spektrum, wird die Auflösung des Kongresses dennoch lebhaft gefeiert und als wichtiger Schritt im Kampf gegen Korruption angesehen.
  • Ich hoffe, es kommt in Folge der Geschehnisse nicht zu Repression oder Gewalt. Bislang scheinen die Demonstrationen rund um das Thema glücklicherweise friedlich zu verlaufen. Zumindest hier hat Vizcarra offenbar aus der Geschichte gelernt. Im Moment ist seine Popularität noch sehr hoch. Die Frage ist, was passiert, wenn noch vor einer etwaigen Neuwahl unpopuläre Entscheidungen anstehen und die Umfragewerte des Präsidenten sinken.
  • Eine Entscheidung über ein anderes Thema als destruktives Misstrauensvotum zu interpretieren, ist, gelinde gesagt, gewagt.
  • Ich halte es generell für gefährlich, wenn unter Rückgriff auf einen oder „gefühlten Volkswillen“ Parlamente aufgelöst werden.

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